Hôtel de la Croix Blanche, Scherzligtor & Scherzligbrücke

Restaurierter Wappenstein des ehemaligen Scherzligtors, Bild: Kantonale-Denkmalpflege, Bestand: Schlossmuseum Thun
Wappenstein Scherzligtor Thun – ausgestellt im Schlosshof Thun

Das Scherzligtor wird bereits im Udelbuch von Thun im Jahre 1338 und 1489 erwähnt. Nach einem Brandfall wird das vom Kloster Interlaken als Sässhaus erworbene Gebäude im Jahre 1443 neu erstellt. Gleich daneben befand sich das Scherzligtor, welches in die Stadt führte. 1537 erneuerte die Stadt Thun das Scherzligtor vollständig. Die Stadt Bern stiftete ihrer Untertanenstadt dazu ein Wappenstein in Form eines Sandsteinreliefs. Es zeigt zwei Bernerwappen über dem Thunerwappen, was die Oberherrschaft Berns veranschaulicht. Über diesem prangt der Doppeladler des deutschen Reichs, dem Bern bis 1648 formell angehörte. 1851 wurde das Scherzligtor abgerissen. Beide Gebäude lehnten sich an die einstige Ringmauer der äusseren Aare (einst Stadtgraben) an.

1606 erhält das «Weisse Kreuz», welches im Oberbälliz beim heutigen Krebserhaus stand, mit der Erteilung des Tavernenrechts seine Nutzung als Wirts- und Gasthaus mit entsprechender Beschilderung. Jahrhundertelang waren das «Hotel zum Weissen Kreuz» oder während der Helvetik unter dem vornehmeren Namen bekannten «Hôtel de la Croix Blanche» zusammen mit dem Freienhof und dem «Hotel Bären» beim Sternenlatz die einzigen Hotels in der Stadt Thun. Am 7. September 1782 logierte der spätere russische Kronprinz Paul Petrovitsch mit grossem Gefolge im Weissen Kreuz. Am folgenden Morgen verreiste der Prinz (es ist der spätere, 1801 ermordete unglückliche Kaiser Paul) per Schiff nach Interlaken, von wo er einen Abstecher nach Grindelwald unternahm. Doch war sein Aufenthalt im Berner Oberland von kurzer Dauer. Schon am neunten Herbstmonat, abends spät, langte der Fürst wieder in Thun an, um am folgenden Morgen in der Frühe wieder zu verreisen. Ab 1824 führte Johann Knechtenhofer zehn Jahre lang das Weisse Kreuz, der Begründer des modernen Tourismus im Hofstettenquartier sowie der Thuner Dampfschifffahrt.

Die neben dem Hotel gelegene Scherzligbrücke diente Postkutschen und Pferdeomnibusse um über den Maulbeerplatz in die Stadt zu fahren, da sich die Haltestelle beim Postbureaux in der Freienhofgasse neben dem Freienhof befand. Auch Fuhrleute benutzten die 1350 erbaute, damals noch gedeckte Brücke.

Ein Brief des Berner Rates an die Thuner von 1442 wirft ein interessantes Licht auf die Schiffahrt bei der Scherzligbrücke: «Der Graben beim und Brücke ist verschlagen und vermacht, so dass weder Schiff noch Floss, wie sonst herabgeführt werden können und kaum zwei Trämel (Holzflösserei!) durchgebracht werden.» Dieser Graben, heute die äussere Aare, war einst ein Befestigungswerk, das bei Gefahr mit Wasser gefüllt werden konnte. Die Thuner waren der Ansicht, dass die innere Aare für die Schiffahrt genügen sollte. Aber Bern wollte, dass der Graben auch benutzt werden konnte. Das beweist, dass der Graben, mindestens zur Zeit der Schneeschmelze, für die Schiffahrt und Flösserei auch benutzt wurde. Die Einleitung der Kander in den Thunersee von 1714 zwang zu einer Erweiterung dieses Stadtgrabens auf die heutige äussere Aare. Das steinerne Joch (Pfeiler) wurde unterspült, so dass 1723/24 eine neue Scherzligbrücke gebaut werden musste; sie war übrigens schon seit dem Jahre 1599 gedeckt.

Gemäss einer Pflichturkunde zwischen Bern und Thun vom April 1759 musste Thun für den Unterhalt der Schleusen, Mauern. Schwellen und Brücken Beiträge bezahlen. In dieser Urkunde hiess es über die Scherzligbrücke: «Ist in anno 1724 renoviert und erbauen worden. dazu haben M.H.H. Herren halbigen Theil der Kosten beigetragen, dergestalten dass beidseitige Landwehren oder Brückstöck sowohl als das steinige Joch gemeindschaftlich in Ehren erhalten werden.» Das steinerne Joch wurde 1818 wegen der Tieferlegung der äusseren Schleuse neuerdings unterspült, so dass dessen Einsturz drohte. Bern und Thun übertrugen 1851 den Brückenneubau an den Thuner Baumeister Friedrich Hopf die er im Jahre 1852 baute und das steinerne Joch mit zwei hölzernen Jochen ersetzte. Mit diesen Bauarbeiten wurden auch der Scherzligturm und das Scherzligtor abgebrochen. Einen eisernen Oberbau auf die zwei hölzernen Joche erhielt die Brücke im Jahre 1863.

Nach der Verlegung des heutigen neuen Bahnhofs wurde die Scherzligbrücke für den aufkommenden Verkehr zu schmal und zu schwach. Im Winter 1922/23 wurde sie zusammen mit dem «Hotel Weissen Kreuz» abgebrochen und verlor damit auch ihren ursprünglichen Namen. Am Sonntag, 1. Juli 1923, wurde die neue Bahnhofbrücke festlich eingeweiht. Beim Abbruch des «Kreuzes» kamen an der Aare Fundamente eines alten Festungsturmes und die Fundamente der Stadtmauer zum Vorschein. Bis ganz zuletzt bot das «Weisse Kreuz» noch 17 armen, obdachlosen Familien eine Notunterkunft.

1931/32 entstand an der Stelle des ehemaligen Hotels das fünfgeschossige Geschäftshaus der Spar + Leihkasse Thun (SLT) welche vom ehemaligen Standort bei der Allmendbrücke hierher zog. Auch die Buchhandlung Krebser zog vom Rathausplatz hierhin.

Am 3. Oktober 1991 gab die Regionalbank bekannt, sie stecke in «vorübergehenden Engpässen». Die Lokalzeitung «Thuner Tagblatt» sprach Klartext und verkündete in fetten, roten Lettern: «Die Spar- und Leihkasse Thun kämpft ums Überleben». Sofort stürmten viele Kleinsparer und Gewerbler zur Bank, um ihr Ersparnisse zu retten. Zu spät: die Schalter waren bereits geschlossen und die Gelder gesperrt. Vor den verschlossenen Türen drängte sich die wütende Menge. Ein Mann ertrug die Aufregung nicht und erlag in der Nähe einer SLT-Bankfiliale einem Herzinfarkt.

Nach einigen Tagen konnten die Kunden je 500 Franken abheben. Vor den Filialen standen die Menschen stundenlang Schlange. Der Crash der Spar- und Leihkasse Thun vernichtete über 220 Millionen Franken Privat- und Geschäftsvermögen. Die rund 6300 Kunden mussten Monate, ja gar Jahre auf Auszahlungen warten und verloren mehr als einen Drittel ihres Vermögens.

Quellen:  TT 26.05.1988,  TT 12.12.1986 Hans-Ueli Graf,  TT 19.04.1988 Alfred Wenger, TT 23.11.1982 Alfred Wenger, Der Bund, 30.09.2016, Der Bund, 11.02.2009, Diverse

Beitrag SRF vom 18.10.1991 über den Konkurs der Spar- und Leihkasse Thun mit Interviews damaliger Thuner Persönlichkeiten.

Standort

2 Gedanken zu „Hôtel de la Croix Blanche, Scherzligtor & Scherzligbrücke

  • 17. Januar 2020 um 15:53
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    Bild 13 zeigt wohl nicht den Abriss der Scherzligbrücke, sondern den Einbau des Belags auf der neuen Bahnhofbrücke (Strassenwalze!)

    Antwort
    • 18. Januar 2020 um 8:57
      Permalink

      Danke für den Hinweis. Wir werden das korrigieren.

      Antwort

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