Bahnhofbrücke

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Am 3. Dezember 1922 war in Thun Wahl- und Abstimmungssonntag. Mit 1618 Ja- (89%) gegen 198 Nein-Stimmen wurde der «Kredit für die neue Scherzligbrücke» deutlich angenommen.

Angesichts des im Entstehen begriffenen neuen Hauptbahnhofs im Aarefeld stellte der Ersatz der schmalen Scherzligbrücke durch die grössere, vierspurige, Bahnhofbrücke beim Maulbeerplatz eine wichtige Massnahme dar, um den erwarteten Verkehrszuwachs auf der Achse Bahnhof-Innenstadt auffangen zu können. Viel Zeit blieb aber nicht, da der neue Bahnhof bereits am 30. Mai 1923 eingeweiht werden sollte und so wurde Tag und Nacht an der zukünftigen Bahnhofbrücke gearbeitet.

Am 8. Januar 1923 wurde bereits mit dem Abbruch der alten Scherzligbrücke begonnen und für die Fussgänger stand aarewärts neben der Scherzligbrücke ein Laufsteg zur Verfügung. Ende Januar war die alte Scherzligbrücke, welche eine 600-jährige Vergangenheit hatte, bereits verschwunden. Die alte Scherzligbrücke folgte noch der Achse der alten Frutigenstrasse (heute Molkereiweg) und nicht in Richtung Bahnhof. Das obere Brückenende der neuen Bahnhofsbrücke wurde daher 20 Meter nach oben versetzt. Das Bild oben rechts zeigt den alten Brückenkopf der ehemaligen Scherzligbrücke (gelbe Umrandung), links neben der alten Treppe zur Aare (roter Pfeil), welcher immer noch deutlich zu sehen ist.

Nachdem auf der oberen Brückenhälfte die 9 Meter langen Eisenbetonpfähle eingerammt wurden, erfolgte die Fundamentierung mit einer fast 2 Meter dicken Betonschicht. Auf dieses Betonfundament wurde am 22. Februar mit dem Aufbau des eigentlichen Pfeilers (beim Mittelpfeiler) begonnen und somit die Grundsteinlegung der neuen Bahnhofbrücke gelegt. Der 1,8 Meter breite Mittelpfeiler wurde aus großen, bläulichen Kalksteinquadern aus dem Gebiet Ringgenberg auf einem Betonkern aufgebracht.

Danach wurden massive Holzpfähle eingerammt, auf denen das Leergerüst für den Bau der eigentlichen Brücke aufgebaut wurde. Ausserdem mussten zwei Häuser, das Aeberhard- und das Eggenberghauses abgerissen werden, wobei eine Lücke im ursprünglichen Stadtbild entstand. Einzig mit dem Abbruch des alten «Hotel zum weissen Kreuz» wurde noch zugewartet, da die Stadt Thun noch kein Obdach für die dort untergebrachten kinderreichen Arbeiterfamilien gefunden hatte. Familien mit vier oder mehr Kindern hausten dort oftmals in einem Zimmer und teilten sich die Betten. Erst mit dem Bau der ersten Wohnbaugenossenschaft «Freistatt» fanden die rund 17 Familien dann ein neues Zuhause.

Am 1. Juni 1923 fand mit einem Wassersprengwagen der Thuner Strassenbahn und einer Strassenwalze des Stadtbauamtes, welche zusammen insgesamt 36 Tonnen wiegten, eine Schwerlastprüfung statt. Die Ausschläge der Instrumente ergaben 1 U Millimeter, was zeigte, dass die Brücke den Anforderungen voll entsprach.

Am 1. Juli 1923 fand die offizielle Einweihung im Beisein vieler Thunerinnen und Thuner statt. Sie war mit der Würdigung des neuen Bahnhofs, der einen Monat zuvor eingeweiht worden war, verbunden. Als erster fuhr ein bekränzter Tramzug der STJ über die Brücke. Es formierte sich ein Festzug durch die Stadt, welcher sich danach auf dem Bahnhofplatz aufstellte, um dem Weiheakt zur Eröffnung des neuen Bahnhofes durch den Stadtpräsidenten Paul Kunz beizuwohnen. Der grosse Platz war fast zu klein, um alle Thuner und Auswärtige aufzunehmen.

Quellen: TT vom 17.12.2022, Oberländer Tagblatt 23.02.1923, TT 02. Juli 1973, Der Bund, 31. Januar 1923, Diverse

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