Dürrenast (Strättligen)

In einer alten Urkunde vom 14. Februar 1573 wird eine Ortsbezeichnung zum ersten Mal «guot zum Dürren Ast» genannt. Es könnte sich dabei um eine Weinschenke gehandelt haben, da der Gaststättenname «zum Dürren Ast» in dieser Zeit gebräuchlich war und man oft bei Weinschenken anstelle von Wirtshausschildern, mit getrockneten Ästen im Eingangsbereich auf sich aufmerksam machte. Der genaue Ort dieser Schänke ist nicht bekannt, jedoch dürfte sie an einer etwas höher gelegen Stelle gewesen sein, da das Dürrenast-Gebiet bis zur Kanderableitung 1714 immer wieder überschwemmt wurde. Ausserdem müsste sie ziemlich sicher irgendwo an der einzigen Verbindungsstrasse zum Berner Oberland, der «Thungass» (heutige Frutigenstrasse) gelegen haben. Interessanterweise befindet sich der höchste Punkt im Höhenprofil an der Frutigenstrasse ungefähr genau dort, wo später das Restaurant Bären stand. Die ganze Gegend damals war sehr dünn besiedelt. 1783 bestand der Dürrenast erst aus vier Häusern und einer Schiffsanlegestelle beim heutigen Lachenkanal. Die Bezeichnung Lachen kommt, nicht überraschend, von Lache (Pfütze, Sumpf). Dass in dieser schwach besiedelten Landschaft eine Gaststätte kaum rentierte, die Wirte stark wechselten und oft in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, lässt sich verstehen.

Erst im Jahre 1834 errichteten die Gebrüder Johann und Peter Glanzmann hier eine Wirtschaft. Sie nannten sie: Zum «Eidgenössischen» oder «Schweizerbund». Später nannte man sie «Speisewirtschaft Dürrenast» und danach Restaurant Bären. Der stattliche Bau, von dem aus sogar der See sichtbar war, kostete so viel Geld, dass der Betrieb 1854 in Konkurs ging. Ausserdem kehrten die Händler und Marktbesucher Thuns, die Richtung Oberland zogen, wohl eher im Lamm in Gwatt ein, als dass sie es schon wieder im Dürrenast taten. Dazu gab es hier weder Vereine, noch eine Schule. Besitzer wechselten danach sehr oft. Der bekannteste Gastwirt war Jean Stauffer. 1901 übernahm er zuerst das «Rössli» in Dürrenast, siedelte nach Thun über und wirtete im «Steinbock». Dann finden wir in im alten «Maulbeerbaum», am Hirschengraben in Bern und 1913 in der «Äusseren Enge». Nach dem Krieg kehrte er wieder in den Dürrenast zurück und übernahm den «Bären». Am 10. September 1920 brannte dieser durch Brandstiftung mit dem Saal ab. In schwerer Nachkriegszeit baute Jean Stauffer das Gasthofgebäude, welches jetzt ähnlich aussah wie das «Lamm» im Gwatt, wieder auf und veräusserte es aber nach fünf Jahren. 1929 bekam der «Bären» zwischen Stock und Scheune wieder einen Saal, der den nun neu gegründeten Vereinen erlaubte, Konzerte und Theatervorführungen abzuhalten. Im Jahre 1968 wurde der «Bären» samt Bärensaal und neuem Hochhaus komplett umgebaut.

Erst ab 1870 begann das Quartier zu wachsen und es entstand eine dörfliche Infrastruktur. 1924 erhielt Dürrenast eine Bahnstation bei der Schulstrasse-Unterführung. Im gleichen Jahr, neben dem Tannenhof-Gut (heute Migros), an der Frutigenstrasse 62, eines der ersten Lichtspieltheater, welches 1929 abbrannte und 1930 als Kino Tannenhof wieder eröffnet wurde. Das später unter dem Name «Capitol» geführte Kino wurde 1972, als der Fernseher massentauglich wurde, geschlossen.

1893 wurde ein erstes Schulhaus in Dürrenast, bezeichnenderweise an der Schulstrasse eröffnet. 1905 wurde das Schulhaus durch ein zusätzliches erweitert. Das alte Schulhaus, welche seit 1911 als Sekundarschule diente, wurde 1958 durch einen langgestreckten Neubau ersetzt.

Gegründet wurde die Pension Sommerheim am 6. April 1906 vom Ehepaar Glauser-Christen. Für Unterhaltung sorgten Orchester aus der ganzen Welt. Getanzt wurde unter alten Kastanien im lauschigen Garten und Fuhrwerke standen den Fremden für Ausflüge zur Verfügung.  1929 wurde die damals einzige Pension in der Thunerseegegend um 20 auf 40 Betten erweitert. Hier ein alter Prospekt aus dieser Zeit. Zahlreiche Vereinsanlässe und Lottomatche wurden später in der beliebten Quartierbeiz abgehalten. Seit 1987 steht dort das Hotel Alpha Thun.

Das 1897 zum ersten Mal erwähnte «Rössli am Dürrenast» wurde 1986 umgebaut und ist seitdem auch ein Gasthof.

Vereine wurden erst im 19. Jahrhundert gegründet. Alle Ve­reine die zunächst in Gwatt –  und nachdem Dürrenast zum Hauptort wurde – in Dürrenast gegründet wurden, trugen den Namen «… Strättligen». Dies sind in folgender Reihenfolge:
1878 Männerchor Strättligen, 1881 Feldmusik Strättligen, 1898 Arbeiterverein Strättligen, 1890 Feldschützen Strättligen, 1891 Radfahrerverein Strättligen, 1894 Frauenchor Strättligen, 1897 Gemischter Chor Strättligen, 1908 Samariterverein Strättligen, 1916 Frauen­verein Strättligen, 1925 Kirchenchor Strättligen, 1927 FC Dürrenast, 1928 Dürrenast-Neufeldleist, 1929 Damenriege Strättligen usw.

Zur Deckung des Kühleis-Bedarfs für Brauereien, Metzgereien und Lebensmittelladen hat die Burger­gemeinde Strättligen 1871 auf ihrer unteren See-All­mend zur Gewinnung von Eis zwischen der alten Lachen und dem Pfaffenbühl vier grosse Eisweiher ausgehoben. Aus nicht direkt verwendbarem Aushub wurde vermutlich das Grunder-lnseli, auf das heutige Niveau aufgeschüttet. Das im Winter ausgebeutete Eis wurde in einer eigens dazu erbauten Eishütte sowie in einem Schlossbergkeller an der Burgstrasse für die Brauerei Feller gelagert. 1892 kam noch die «Schottergrube» (Kiesgrube), der heutige «Kanal» beim Strandbad dazu. Diese Kiesgrube wurde zur Ge­winnung von Schotter für den Bau der Thunersee­bahn benutzt. Da die Eisweiher nicht tief waren, wurde das Wasser im Sommer sehr warm, weshalb hier schon damals ein beliebter Badeort war. 1922 eröffnete dort die «Seebadanstalt Dürrenast» ihren Betrieb, das heutige Strandbad Thun.

Die Schiffswerft der Dampfschifffahrts-Gesellschaft Thuner- und Brienzersee (heute BLS) wurde 1873 von der Bächimatt an der Hofstettenstrasse, an den alten Lachengraben auf der Unteren Seeallmend in Dürrenast verlegt.

Die Ausgaben der Einwohner­gemeinde Strättligen stiegen rasch an, nicht aber die Steuereinnahmen. Die Steuerertrage hielten nicht Schritt mit der Bevölkerungszunahme. Das lag am damaligen Steuergesetz. Das Arbeitseinkommen musste am Erwerbsort und nicht am Wohnort ver­steuert werden. Da fast alle Strättliger Arbeiter:innen in den Thuner Fabriken arbeiteten, fielen der Stadt Thun die Einnahmen und Strättligen die Lasten für die Infrastruktur zu. Diese unerfreuliche Lage führte am 1. Januar 1920 zur Fusionierung der beiden Einwohner­gemeinden (zusammen mit Allmendingen, Scherzligen, Neufeld und Gwatt). Dies nicht ohne Nebengeräusche der Thuner Bürgerschaft. Besondere Angst hatten sie dabei vor dem vermeintlichen Einfluss der Kommunisten, da der Arbeiterverein Strattligen eine Vereinsfahne mit dem Bild von Karl Marx besass.

In der Krisenzeit 1935, bauten die Sozialdemokraten und Gewerkschaften, teilweise in Eigenarbeit, an der Seestrasse 74 das Arbeiterheim mit Vereinssaal und Bibliothek. Ein Treffpunkt für politisches und geselliges Leben. In den 1950er- und 1960er-Jahren verstärkte sich die Bautätigkeit im Dürrenast rasant und das Gebiet nahm einen städtischen Charakter an.

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Zur Durchführung der Kantonalber­nischen Ausstellung «KABA» auf der Unteren Seeallmend von 1949 wurden die Eisweiher und die sich in der Nahe befindenden Pflanzplätze 1947 eingeebnet. Nach Schliessung der Ausstellung wurden auf dem Aus­stellungsareal Sportplätze fur Leichtathletik, Fussball und Tennis angelegt. Einzelne Elemente erinnern bis heute an die KABA (siehe Plan rechts). 1954 wurde das Areal mit dem bekannten Stadion Lachen ergänzt. Das markante Olympiator mit den Ringen soll dabei an die Sommerolympiade in Helsinki von 1952 erinnern. Im Lachenstadion schaffte der FC Thun zweimal den Einzug in die höchste Fussball-Liga: Im Jahr 1954 und 2002. Seit 1990 besteht am Ort eine Sporthalle mit modernsten Sportanlagen. Im August 2005 wurde das Stadion durch das Hochwasser stark in Mitleidenschaft gezogen und vollständig überflutet.

Am 17. Mai 2006 kamen beim Eisenbahnunfall von Dürrenast drei Menschen ums Leben, als ein Dienstzug mit nicht funktionierenden Bremsen auf offener Strecke in stehende Bauzugwagen fuhr.

Quellen: Dürrenast Leist Festschrift Geschichte, Jahrbuch Schloss Thun 1982, Strättligen von Louis Hänni, Thuner Wochenblatt 20.07.1898, TT 14.12.1968, TT 01.06.2021, TT 07.01.1986, BUND 21.01.1986, Diverse

Übersichtsplan der Gemeinde Strättligen von 1918 (Stadtarchiv Thun)

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