Freienhofgasse

Die Freienhofgasse hiess bis 1899 noch Postgasse, da sich hinter einem der Laubenbögen beim Freienhof das damalige Post-Bureau befand. 1760 fuhr die Post zwischen Bern und Thun wöchentlich zweimal hin und her, von 1782 an dreimal und nach 1794 fünfmal. Die Simmental- und Frutigtal-Pferdepost, die Pferde-Omnibusse der Bäder Weissenburg, Heustrich, Faulensee und Gumigel fuhren die Reisenden über die Scherzligbrücke aus und in die Stadt. Die Post zog 1892 in das neue Hauptgebäude im Bälliz 60. Die Freienhofgasse beginnt bei der Sinnebrücke und endet bei der Bahnhofbrücke, der ehemaligen Scherzligenbrücke, wo damals auch das «Hotel zum Weissen Kreuz» stand. Markantestes Gebäude in der Freienhofgasse aber ist das Mayhaus, ein in allen wesentlichen Zügen erhaltenes spätgotisches Bürgerhaus aus der Zeit der Burgunderkriege. Weiteres über das Haus, weiter unten.

1875 eröffneten Franz und Emma Ernst-Elles in der Freienhofgasse 7 ein Feinschmeckerladen den Comestible Ernst. Diese Spezialgeschäfte wurden ihre französischen Ursprungs wegen «Comestibles» genannt. Neben einheimischen Fischen gab es Seezungen, Steinbutt, Heilbutt, Seehecht, Salm und Cabliau. Die anspruchsvollen Gästen aus den umliegenden Hotels bestellten unter anderem auch das beste Geflügel aus la Bresse in Frankreich, Wild aus der Umgebung oder Bärenfleisch aus Osteuropa. 1908 übernahm Otto Ernst-Gerber den Betrieb und richtete dort den ersten Kühlraum von Thun ein. 1911 zog man in das grössere  Gebäude nebenan in die Freienhofgasse 5, welches 1923 abgerissen wurde und für damalige Verhältnisse supermodern neu erstellt wurde. Das Haus hatte eine Zentralheizung und erstmalig in einem Thuner Wohnhaus – einen Personenlift.

Von 1913 bis 1952 fuhr das Thuner Tram durch die Gasse in Richtung Interlaken. Noch heute sind zahlreiche alte Rosetten mit den Verankerungen für die  Oberleitung in den Hausfassaden zu sehen. Im zuge des Baus der neuen Bahnhofbrücke entwarf der Thuner Architekt Hans Tschaggeny um 1920 ein monumentales Warenhaus  im neubarocken Styl an der Einmündung des Bälliz in die Freienhofgasse.

In der Alten Landschreiberei (Freienhofgasse 18) wurden Kauf- und Tauschverträge für Liegenschaften ausgefertigt. Das Haus wurde 1763 vom Kanton erworben und dientes dem Landschreiber als Amtssitz. In der Westmauer befinden sich noch Teile der ältesten Stadtbefestigung. Im Haus befand sich ab dem 21.05.1854 ausserdem die erste Telegrafenstation, das Telegraphenbureau Thun, welche die Linie Bern-Thun-Interlaken-Brünig verband. Das Telegramm wurde über die Telegrafenleitung als Morsecode empfangen. Ein Telegrafist im Telegrafenamt entschlüsselte den Morsecode und übersetzte ihn in Text. Dieser Text wurde dann auf ein Telegrammformular geschrieben, das alle notwendigen Informationen enthielt, wie den Absender, den Empfänger und den Inhalt der Nachricht. Ein Telegrammbote, oft auf einem Fahrrad, brachte die Nachricht  so schnell wie möglich zum Empfänger. Von dieser Station aus wurde 1881 auch die erste Thuner Telefonverbindung und zwar mit dem Rathaus erstellt. Bilder dazu in der Galerie Freienhof.

Mayhaus oder «Haus zum Rosengarten»

Thun kam 1384 an die Stadt Bern. Es verlor dadurch seine wichtige politische und militärische Bedeutung. Es wurde nun zu einem Marktstädtchen mit blühendem Handwerk und ausgedehnten Handelsbeziehungen. Für diese Bedeutung als Handelsplatz spricht wohl der Umstand, dass die grössten Kaufleute Berns im Mittelalter, die von May, auf dem Rossgarten, dem heutigen Rosengarten, ein prächtiges Wohnhaus besassen. Der reizvolle Erkerturm wurde um 1570 von Hans Jakob May errichtet und ist im Inneren zum Teil mit Renaissancetäfer und allen Öfen ausgestattet. Das markante Haus mit seinem Erkturm ist beliebtes Sujet für Touristen und eines der meistfotografierten Objekte in der Innenstadt. Später wurden in diesem Haus unter anderem Pasteten und Krankenhauszwieback gebacken.
Dokumentation über das Mayhaus in der Zeitschrift «Die Berner Woche in Wort und Bild»

Der ursprüngliche Rossgarten diente den in Stallungen der Sust Freienhof untergebrachten Pferden und Maultieren als Weideland der das Gebiet der heutigen Freienhofgasse umfasste, die damals noch nicht gänzlich überbaut war. Der heutige schmeichelhaftigere Name «Rosengarten», der verleitet, sich an diesem Ort einen früheren Garten mit Rosen vorzustellen, führt daher ins kulturhistorische Abseits.

Quellen: TA 02.06.1899, im Artikel erwähnt, 100 Jahre Telefon Thun 1885-1985, 100 Jahre Ernst, Thun – Geschichtlichhe Zusammenfassung von einst bis heute von Peter Küffer, Diverse.

 

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