Grand Hôtel Thunerhof

In den 1830er Jahren setzte in Thun der Bau von Hotels und Pensionen ein, so mit den Hotels Falken 1835, Bellevue mit Ländtehaus und Du Parc 1831-40. Um 1825 wurde die Pension Baumgarten eröffnet (ab 1899 Hotel Baumgarten-Viktoria), 1839 die Pension Bellerive und 1858 die Pension Itten. Eine zweite Bauwelle geriet wegen der Wirtschaftskrise der 1870er Jahre ins Stocken: Das Seefeld wurde zwar ab 1870 erschlossen, doch das 1862 projektierte Touristenquartier kam nicht zustande. Stattdessen wurden dort Villen gebaut.

Im Hofstettenquartier, am Standort des heutigen Thunerhofs befanden sich die ältesten industriellen Betriebe Thuns: die Ziegeleien. Bereits 1437 wurden sie in einer Urkunde erwähnt. Sie arbeiteten mit Lehm aus dem Seefeld und Steffisburg. Das Holz zum Brennen kam auf dem Wasserweg, meist aus dem Simmental. Die Ziegeleien wurden 1869 nach Steffisburg verlegt. Im gleichen Jahr beschlossen die Mitglieder des aus der ehemaligen Alp- und Allmendkorporation hervorgegangenen “Vereinigten Familiengutes” sich aufzulösen und sich als Aktiengesellschaft unter dem Motto «Hebung Thuns als Fremdenort» dem Thuner Tourismus zu widmen mit einem, für damaligen Thuner Verhältnisse, noch nie dagewesenen Luxushotel. Die AG verfügte über ein beträchtliches Vermögen, nicht zuletzt aus dem Verkauf der Thuner Allmend an den Bund als Teil des eidgenössischen Waffenplatzes. Der Thunerhof wurde im Juni 1875 eröffnet nach rund zweijähriger Bauzeit nach Plänen von Adolphe Tièche aus Bern. Es ist ein mächtiger, klar gegliederter Hotelbau in französischen Neurenaissanceformen mit dominierendem Turm. Sehenswert ist auch die Treppenhalle mit den Galerien und dem Lichtschacht im Innern des Gebäudes.

Der Betrieb war das bisher grösste und luxuriöseste Hotel des Berner Oberlandes. Die Geschäfte gingen von Anfang an schlecht. Beim Bau des Thunerhofes wurde das Baubudget massiv überschritten, und zudem brachten die ersten Betriebsjahre wenig befriedigende Resultate und Frequenzen, da das Hotel in der Schweiz und in Europa nicht oder nur kaum bekannt war. Kam dazu, daß es in der ersten Zeit von einem unfähigen Direktor geleitet wurde, der entlassen wurde, und daß Zinslasten von großen Anleihen, welche aufgenommen werden mußten, drückten. Was Essen, Zimmer und Bedienung betraf, war zwar viel Lob zu hören, die relativ hohen Preise demgegenüber ließen viele Gäste abschrecken. Dies waren die Hauptgründe, die dazu führten, daß die ersten Jahre des Hotels Thunerhof unter einem wenig hoffnungsvollen Stern standen. Die desperate finanzielle Lage, in welcher sich die Baugesellschaft bald einmal befand, führte dazu, daß die Einwohnergemeinde den Thunerhof 1878 übernehmen mußte. Die Baugesellschaft wurde in der Folge aufgelöst. Damit war die Stadt Thun Hotelbesitzerin geworden, was sie bis zum Jahr 1895 auch bleiben sollte.

Original Prospekt von 1925 (öffnen durch anklicken)

1895 war ein eigentliches Schicksalsjahr für das Hotel Thunerhof, beschloß doch am 27. Oktober 1895 die Versammlung der Einwohnergemeinde Thun nach langen Verhandlungen den Thunerhof an die Aktiengesellschaft Hotels Thunerhof und Bellevue Thun zu verkaufen. Die nun folgenden Jahre von der Jahrhundertwende bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren unstreitig die Goldenen Jahre in welchen die Hotels florierten und schöne Erträge erwirtschaftet werden konnten. 1896 wurde der zur Aktiengesellschaft gehörende Kursaal eröffnet.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurden die Glanzzeiten der drei Hotels – und im besonderen des Thunerhofes – jäh unterbrochen. In vereinzelten Saisons sowohl in den Jahren des Ersten Weltkrieges als auch in den 20er und 30er Jahren wurde der Thunerhof gar nicht erst geöffnet, da die ausländischen Gästen fern blieben. Die Thunerhof-AG geriet je länger desto mehr in eine verzweifelte finanzielle Lage, der mit verschiedenen Sanierungen zu begegnen versucht wurde, allerdings immer nur mit sehr mäßigem Erfolg. Rechnungen des Licht- und Wasserwerkes konnten nur mühsam bezahlt werden. Der Zweite Weltkrieg und die Wirtschaftskrise bedingten dann das definitive Ende des Hotelbetriebes im Thunerhof, während das Bellevue noch bis 1980 den Touristen offen stand. Das Gebäude wurde vom Militär besetzt und später als Suppenküche benutzt.

1942 wiederholte sich die Geschichte und am 3. Mai genehmigte die Thuner Stimmbürgerschaft den Kauf der Liegenschaften Thunerhof, Bellevue und Du Parc mit Umschwung durch die Stadt Thun. Seit 1942 ist der Thunerhof ein Verwaltungssitz der Stadtverwaltung Thun. Seit 1948 befindet sich im Erdgeschoss das Kunstmuseum Thun.

Quellen: Jahresbericht Schloss Thun 2020, “Rundgang durchs Hofstettenquartier” von Guntram Knauer; Bericht von Jon Keller, 1983: Werbe-Graphik für das Hotel Thunerhof im Laufe der Jahrzehnte 

Standort

Ein Gedanke zu „Grand Hôtel Thunerhof

  • 19. März 2021 um 16:01
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    Grand Hôtel et Thunerhof, Hôtels Bellevue et du Parc SA
    Prioritätsaktie über 100 Franken, ausgestellt am 17. Dezember 1919.
    Bereits 1924 musste der Nennwert auf 50 Franken reduziert werden.

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