Thuns letzte Hinrichtungsstätte

Der 10. Februar 1816 war ein Samstag. Es ist anzunehmen, dass es eisig kalt war, vielleicht waren die Wege schneebedeckt. Möglicherweise schien die Sonne und verwandelte die Umgebung in eine glitzernde, prächtige Landschaft. An diesem Morgen wurde die 20-jährige Barbara Schneiter von Goldiwil wegen „Kindermord“ am Thuner Hochgericht durch das Schwert hingerichtet. Frauen, die uneheliche Kinder bekamen, wurden häufig von ihrer Gemeinschaft geächtet. Sie galten als moralisch verwerflich und verloren ihren gesellschaftlichen Status. Um der Schande zu entgehen, kam es daher oft zu heimlichen Abtreibungen oder Kindstötungen aus Verzweiflung.

Um 9 Uhr wurde die Angeklagte vom Schlossgefängnis zum Lauenthor geführt, wo das Urteil verkündet wurde und musste dann noch zu Fuss rund 2 Kilometer zur Hinrichtungsstätte laufen. Unzählige Schaulustige, hatten dem Todesmarsch und der Hinrichtung, welche um 10 Uhr vollzogen wurde, beigewohnt. Es war die letzte Ausübung einer zivilen Todesstrafe im Berner Oberland. 

Wo genau aber stand Thuns letzte Hinrichtungsstätte?

Auf einer Karte von 1716 ist das «Hochgericht» in der Bildmitte, in der Nähe der Aareschlaufe bei der heutigen Kleinen Allmend deutlich zu erkennen. Zahlreiche Menschen wurden dort im Verlaufe der Jahrhunderte etweder durch den Galgen und später vorwiegend durch das Schwert gerichtet.

Auch auf einer Federzeichnung von Gustav Keller von 1821 sieht man vom Jakobshübeli aus noch die Richtstätte mit dem Galgen. 1826 wurde sie nach Beschluss des Kleinen Stadtrates in vier Tagwerken abgebrochen, da der Stadt Thun keine Gerichtsbarkeit mehr zustand; 10 Jahre nachdem dort die letzte Hinrichtung stattfand.

Richtstätten wurden meist ausserhalb der Stadtmauern und an erhöhten Lagen eingerichtet. Eine erhöhte Lage sorgte dafür, dass die Richtstätte weithin sichtbar war. Dies diente als Warnung für die Bevölkerung, die sich an die Gesetze halten sollte. Ausserdem waren Hinrichtungen oft öffentliche Veranstaltungen. Eine erhöhte Lage gewährleistete, dass möglichst viele Menschen das Geschehen verfolgen konnten.

Die einzige auf einer Karte sichtbare Anhöhe in der mutmasslichen Region, wo sich die Richtstätte befand, findet sich bei der 1858 erstellen Eisenbahnlinie, die eine kleine Erhebung durchquert. Der neu erstellte Bahndamm wurde an diese Anhöhe angebaut und integriert. Auf dem Kartenausschnitt von 1876 sieht man deutlich den etwas erhöhten Bereich:

Legt man nun die Karte von 1876 mit einer Karte von heute mit demselben Maasstab und Ausschnitt übereinander, kommt man exakt auf folgenden Standort:

Etwas mehr herangezoomt mit Google-Maps finden wir das Areal des ehemaligen Richtplatz in Mitten des heutigen RUAG-Areals entlang der heutigen Eisenbahnlinie, am Rand eines Parkplatzes im Bereich der Uttigenstrasse 67:

Beim heute vollständig nivellierten Gelände der ehemaligen Munitionsfabrik Thun beim Parkplatz unmittelbar bei der Uttigenstrasse 67 bietet sich an der ehemaligen Hinrichtungsstätte heute folgendes Bild:

Leider findet sich an dieser historisch bedeutsamen Stelle, wie auch wie beim Haus wo Goethe in Thun übernachtet hatte, weder eine Gedenktafel noch irgend ein Hinweisschild.

Quellen: Franziska Streun, BZ, 10.01.2016; Hinrichtungen im Berner Oberland, TT 10.10.2023, Hans Heimann; 1796 eine Frau wird enthauptet von Anita Ryter; Lohner Chroniken, Band II, 1551-1864; Bundesamt für Landestopographie swisstopo, Diverse

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