Plätzli & Kupfergasse

Am Nachmittag den 9. März 1716 vernichtete ein Grossbrand an der Kupfergasse (heute Obere Hauptgasse) acht Häuser vollständig und sieben teilweise. Die Brandursache war bald geklärt. Eine Frau Anna Aeberli hatte mit der Nachbarin zu lange geplaudert und dabei ihre Einsiedbutter auf dem Feuer vergessen, die dann wegen der Überhitzung Feuer fing. Die Häuser waren hier vollständig zusammengebaut, und die südlichen Fassaden reichten vielfach bis an die Aare. Nach diesem Brand hat Thun nicht alle Häuser wieder aufgerichtet, und so ist der freie Platz, das heutige Plätzli entstanden. Dieser Brand bewog den Rat, die Quellen des Fuchsloches im Homberg zu fassen, neue Waschhäuser zu den beiden uralten Badstuben an der Aare zu erstellen, Löschgeräte zu verbessern und Stadtbrunnen einzurichten.

Die Senkung gegen die Aare hin wurde mit dem Geschiebe des damals eben übergetretenen Kratzbaches angefüllt. Rat und Bürger von Thun beschlossen 1720 den Abbruch des Schwibbogens über die Hauptgasse. Der Schutt wurde ebenfalls zum Auffüllen des Brandplatzes am Plätzli verwendet. Mit dieser Auffüllung war der Abschluss gegen die Aare hin aber noch nicht gelöst. 1721 wurde dann die bis zu 5 m hohe Abschlussmauer gegen die Aare erstellt, und das Plätzli wurde als Marktplatz und das Gelände an der Aare zur Schiffländte ausgebaut.

Wegen Platzmangels auf dem Markt in der Freienhofgasse wurde der Ziegen- und Schafmarkt vom 30. April 1781 erstmals vom Rossgarten an der Freienhofgasse auf das Plätzli verlegt. Dieser Markt hatte auch in Thun eine besondere Bedeutung. Durch die geographische Lage wurde Thun zum wichtigsten Marktplatz des Oberlandes. Später musste der Kleintiermarkt auf dem Plätzli dem Gemüsemarkt weichen. Letzterer wurde später dann in das Oberbälliz verlegt. Das Plätzli aber fand schon früher wie auch heute viel Verwendung als Ruhe- und Aussichtsplatz.

Im Zuge des aufkommenden Tourismus wurde es für den stark zunehmenden Kutschenbetrieb in der schmalen Kupfergasse – so hiess der obere Teil der Oberen Hauptgasse damals – immer enger und gefährlicher. Zwischen der Sinnebrücke und dem Lauitor wurden 1875–1877 aareseitig drei Häuser, die heutigen Nummern 70 bis 74 der Oberen Hauptgasse, abgerissen und neu gebaut.

Auch das Lauitor wurde 1838/39 abgebrochen, um dem zunehmenden Verkehr Platz zu machen. Neben dem Lauitor befand sich übrigens früher ein weiteres, tiefer gelegenes östliches Stadttor, welches 1346 erstmals erwähnt wurde. Das Tor muss ungefähr Mitte des 16. Jahrhunderts abgebrochen worden sein und stand im Bereich des Hauses Nr. 83.

Unten an der Aare bestand noch kein Quai. Häuser, Hofstatte und Gärten reichten bis an die Aare; man kannte kein Durchgangsrecht.

Quai statt Prachtstrasse
In einem Gutachten zur Erweiterung der Stadt Thun schrieb Kantonsbaumeister Salvisberg im Jahr 1862: «Eine ungleich wichtigere Aufgabe, als die letztere zur Vervollständigung der Communication für die innere Stadt wäre die Anlage eines Quais, der am rechten Ufer der innern Aare, vom Schwäbisthor aus bis zum Gemüsemarkt (Plätzli) sich erstrekte, der zu beiden Seiten auf entsprechende Distanzen die nöthigen Abzweigungen erhielte. Dem täglichen Verkehre würde dadurch eine neue sonnige Strasse eröffnet. Den dafür nöthige Raum wäre zum Theil dem Wasser & zum Theil den vorhandenen Gärten abzugewinnen. Die Facaden der sämmtlich anstossenden Häuser, die bis dahin nur die hintere, untergeordneten Seite bildeten würden sofort in Hauptfronten sich umwandeln, weil sie dann auf eine Hauptstrasse gingen und der Sonne zugekehrt wären. Diesen Vortheil des Mehrwerthes würden ca. 55 Häuser erhalten. Das finstere Schlupfwinkelgässchen, das zwischen der Sinnebrüke und der projectirten Fussgängerbrüke (Mühlebrücke) liegt, würde eingehen und dessen Raum zu den betreffenden Häusern geschlagen werden».

Der Vorschlag von Kantonsbaumeister Salvisberg eine Strasse entlang der Aare zu bauen wurde nicht weiterverfolgt. 1865 setzte der Gemeinderat aber einen Ausschuss ein, der sich mit dem Gang unter den Häusern und einem Projekt für den Bau eines Quais von der Sinnebrücke bis zu den Mühlen zu befassen hatte. Nach einem Brandausbruch unter den Häusern wurde die rasche Realisierung des Projektes gefordert. An seiner Sitzung vom 1. Juni 1866 beschloss der Gemeinderat, den Bau des Quais längs der Aare vorzulegen, um damit den Gang unter den Häusern aus feuerpolizeilichen Gründen absperren zu können. Er verlangte dazu die Bewilligung eines Kredits und die Zustimmung, die Unterhandlungen mit den Hausbesitzern zur Schliessung des Gangs unter den Häusern fortzusetzen und nötigenfalls Enteignungen veranlassen zu können. Nach der Zustimmung durch die Gemeindeversammlung erteilte der Regierungsrat am 1. Oktober 1867 die Bewilligung für den Bau des Quais.

Die Amtsersparniskasse Thun hatte ihren ersten Hauptsitz im 1877 erbauten «Studerhaus» (Obere Hauptgasse 74) ab 1899, bis sie 1951 zu ihrem heutigen Standorte am Lauitorplatz zog; von 1985 bis 1995 war dort Radio TV Steiner untergebracht, heute die Casa Immobilien. An der Kupfergasse befand sich ausserdem das Restaurant Schlüssel in welchem schon Johannes Brahms regelmässig verkehrte, als er in der Hofstettenstrasse hauste (heute TASTY MoMo). Früher diente der «Schlüssel», als sich dort noch eine Tramhaltestelle befand, den Sigriswiler Bauern als Wartesaal. An der ehemaligen Kreuzgasse (Obere Hauptgasse 75) steht das schmalste Haus von Thun. Es ist lediglich 2.2 Meter breit. Früher als die Stadt Bern hatte Thun bereits ab 1922 eine Lichtsignalanlage bei der unübersichtlichen Kreuzgasse. Wenn das Tram diese Stelle passierte, leuchtete jeweils ein Schild mit dem Hinweis «Zug naht».

Quellen: Mein liebes Thun, Markus Krebser; Jahrbuch Schloss Thun 2009; TT 28.02.1991; «Historisches aus Thun» von Architekt Ed. Hopf und Dr. E. Huber; Lohner Chroniken, Band 2; Chronologische Angaben zu Verkehr und Tourismus, TT 10. 04.1993, TT 14.09.1916; Die Thuner Hochtrottoirs im städtebaulichen Kontext, Seite 57, Ulrike Schröder; Oberländer Tagblatt vom 15.12.2022, Diverse

 

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