Fulehung und Ausschiesset Thun

Eine Narrenfigur hatte bereits im 16. Jahrhundert eine tragende Rolle am Volksfest. Allerdings nicht in der heutigen Form: Vielmehr gab es einen Narrenzeiger, welcher in Thun erstmals im Jahr 1766 erwähnt wird. Diesem Zeiger oblag es, beim Schiessen die jeweiligen Treffer anzuzeigen. Ein Brauch übrigens, welcher in der ganzen Schweiz, aber auch in Deutschland oder Österreich weit verbreitet war. Während der Zeiger meistens zivile Kleider trug, trat er am Ausschiesset in einem Narrenkostüm, allerdings ohne Maske, auf.

1840 findet sich ein weiterer Hinweis; Der «Seckelmeister» liess ein Bajassenkleid reparieren. Am Ausschiesset 1855 war dann der Narr sicher dabei, ausgestattet mit Schellenkappe und Kolben. Er wurde aber nicht Fulehung, sondern «Bajäggel» (von Bajass oder Jass) genannt. Kurz darauf wurde er von den Schulbehörden wegen der “Verrohung der Jugend” wiederum abgeschafft und im Jahre 1864 von den Schützen wieder eingeführt – nun mit der Teufelsmaske. Woher diese ursprünglich stammt, ist unbekannt.

Die Teufelsmaske am Thuner Ausschiesset wird schliesslich erstmals im Jahr 1864 schriftlich erwähnt. Und zwar in einem ­Leserbrief im Anzeiger von In­terlaken. In diesem beschwert sich ein Leser darüber, dass «mit einer dem Tell vorangetragenen Teufelsmaske am Festumzug das Sinnbild der schweizerischen Freiheitskämpfe gehöhnt wurde».

Der Spottname Fulehung  (fauler Hund) wurde erstmals 1901 erwähnt. Faul ist der Hung keineswegs; Er absolviert während des Ausschiessets ein immenses Laufpensum und muss sich in den Gassen der Thuner Innenstadt hervorragend auskennen. Anfänglich trug der Fulehung auch noch keine Söiblaatere (Schweineblasen), sondern nur ein Holzschyt. Diese Söiblaatere wurden übrigens lange Zeit in der Schweinemetzgerei hinter dem Rathaus hergestellt.

1979 liess die Kadettenkommission die Originalmaske durch die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt untersuchen. Deren Fazit nach einer metallografischen Untersuchung: Eine genaue zeitliche Einordnung der Herstellung ist nicht möglich. Dennoch lässt die Untersuchung einige Rückschlüsse zu: So ist die Maske aus drei Schichten aufgebaut. Das «Gerüst» der Maske bildet ein Draht, worüber ein Blech und anschliessend ein zweites Blech gebogen wurde. Während die älteren Teile der Fulehung-Maske spätestens im 18. Jahrhundert hergestellt wurden, stammt die äusserste Blechschicht von einer Renovation, welche noch nicht sehr lange zurückliegt.

Einer, der sich ebenfalls regelmässig der Restauration der Maske widmete, war Fulehung Fritz Bieri. Der Bäckermeister, der zwischen 1946 und 1965 das Amt ausübte, flickte die Originalmaske jeweils nach Gutdünken, ersetzte die Haare oder gab ihr vor dem Ausschiesset jeweils einen neuen Farbanstrich mit Lackfarben aus der Drogerie.

Der letzte Fulehung, welcher die Originalmaske getragen hat, ist Walter Mani: «Die Maske war 1970, als ich erstmals Fulehung war, noch in einem sehr guten Zustand, aber sie war mit einem Gewicht von rund 2,5 Kilogramm sehr schwer, was ein Atmen durch die Nase verunmöglichte.» Das war wohl mit ein Grund, dass sein Nachfolger Jürg Altmann ab dem Jahr 1982 eine Kopie der Maske aus Kunststoff trug. Eine weitere Kopie, welche fortan als Ersatzmaske diente, kam im Jahr 2000 hinzu.

So wenig man über den Fulehung weiss, so viele Legenden ranken sich um dessen Figur: Wohl die bekannteste ist diejenige, dass die Maske aus der Burgunderbeute stamme. Die Thuner hätten als Belohnung für ihren aufopfernden Kampf in Murten im Jahr 1476 die Maske des Hoffnarren von Karl dem Kühnen erbeutet, heisst es. Allerdings findet sich bis heute kein Hinweis darauf, dass der Narr des Herzogs eine Maske und insbesondere eine Teufelsmaske trug. Auch in den Verzeichnissen der Beutestücke ist die Maske nirgends erwähnt. Die Verknüpfung der Maske mit den Burgunderkriegen geschah wohl erst ums Jahr 1922 im Rahmen eines Festumzugs zu einer Thuner Gewerbeausstellung, als die Schützen mit historischen Murtenkrieger-Kostümen auftraten. Damals trug ein Schütze eine Teufelsmaske. Vier Jahre später nahmen die Thuner Schützen an den Feierlichkeiten zum 450-Jahr-Jubi­läum der Murtenschlacht teil, wobei sie wieder als historische Gruppe im Kostüm der Murtenkrieger auftraten. Damals lief eine Person im Kostüm der Murtenkrieger mit, welche die Fulehung-Maske in den Händen hielt. 1.

Die Originalmaske befand sich lange an einem versteckten Ort und ist seit 2018 beim Ostturm innerhalb des Schlossmuseums Thun öffentlich ausgestellt. Auf dem Berntorplatz befindet sich seit 1955 das Fulehung-Denkmal der Künstlerin Unika Maler.

Quellen: 1) Thuner Tagblatt, 26. August 2017, Diverse
Weitere aktuelle Hinweise und Bilder zum Fulehung unter: https://www.fulehung-thun.ch

 

4 Gedanken zu „Fulehung und Ausschiesset Thun

  • 22. Dezember 2020 um 20:30
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    Das wahrscheinlich umfangreichste Buch zum Fulehung mit dem gleichnamigen Titel, enstand 1989 durch den Thuner Peter Küffer. Erschienen ist es im Verlag Krebser Thun. Die neuzeitlichen Fotos dufte ich – damals Fotograf des Thuner Tagblatt – dem kleinen Werk beifügen. Übrigens: Hinter der Fulehung- Maske lachte bei all meinen Aufnahmen Jürg Altmann.

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  • 12. Januar 2020 um 9:26
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    Die abgebildete untere angebliche Originalmaske ist nicht das Original.
    Das Original ist hier nicht abgebildet auf keinem Bild. Hängt hinter Glas ist 3 Teilig und ist vor Licht geschützt. Versteckt 🙂

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    • 11. November 2023 um 18:22
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      Spannend zu hören! Gibt es dazu mehr informationen?

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