Berntorgasse

Berntorgasse damals «hinterer Viehmarkt», nach Geometer C. Fisch, Ausschnitt, 1813

Um 1250 erweiterte Graf Hartmann V. von Kyburg die Stadt Thun – die damals aus dem Schlossberg und der Oberen Hauptgasse vom Rathausplatz bis zum Lauitor bestand – zur «neuen Stadt». Sie umfasste nun das Gebiet vom Rathausplatz bis zur heute noch bestehenden nördlichen Teil der Stadtmauer. Das Areal erlaubte, zwischen Schlossberg und Aare zwei Gassenzüge anzulegen, einerseits die Untere Hauptgasse, andererseits die Gerberngasse und die Schwäbisgasse. Sie werden durch zwei Quergassen, die Marktgasse und der Hintere Viehmarkt oder auch Hintere Gasse, welche ab 1927 Berntorgasse heisst, miteinander verbunden. Einer der vielen Thuner Märkte, der Schweinemarkt, wurde jeweils beim Kornhaus, im unteren Teil der Berntorgasse, abgehalten.

Die alte Scheune (auch Rubin-Scheuer oder Steiner-Scheune) wurde 1655 erstellt und lehnt an die zinnengekrönte Stadtmauer. Die Inschriften an der Fassade, die nur mit einem Feldstecher oder einer Drohne zu lesen sind lauten:

«Von wegen großer Kumlichkeit bin ych allhar gsetzt, und bereit
zu schirmen und zu schützen so wol vor Kellte, als auch den Hitzen
den nutzbarlichen Rossen und Veich, die da zur Zeit wol findend
mich. Jacob Rubi mich für gwüß zum Nutzen hiehar buwen ließ
durch Meister Hans Eyemann, zu der Zeit, da man zeihe fürwar
1655 Jahr. Es ist auf Erden kein schöners Kleid dan From Ufrächt
und Redligkeit. Je lenger es einer uf Erdenn treit, je schöner und
bas es im ansteit. Gott bewar dän Ingang und Usgang. Ammen. N. R.»

Ob Jakob Rubin, der sich, aus Unterseen stammend, 1618 in Thun eingekauft hat und von 1667 bis 1675 als Venner amtete, den Spruch selber verfasst hat, oder sein Sohn Johannes, ist leider nicht bekannt. Johannes praktizierte als Arzt und hat mehrere Gedichte und Dramen verfasst. N. R. war der Maurermeister Niklaus Rohrer, der auch die Bärenscheune bauen half.

Der Venner Zyro-Turm

Die erste Erwähnung des Venner-Zyro-Turms finden wir in einem mittelalterlichen Grundstückverzeichnis (Udelbuch), welches 1489 begonnen hat. Dort steht: «Hensli Müller von Helgenschwendi, der werchmeister, hall ndel uff sinem huss an der hindren gassen. in der nüwen statt bv dem nüwen turn.»  Mit anderen Worten: Der Werkmeister  Hans Müller von Heiligenschwendi hatte Grundbesitz auf seinem Haus an der Hintern Gasse, beim neuen Turm. Aus der Bezeichnung «neuer Turm» kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass dieser gerade erst gebaut wurde. Gleichzeitig wird nämlich auch die «neue Stadt» erwähnt, welche 1250 entstanden ist. Aus der «Lärmordnung» des grossen Landes von 1652 kennen wir die Befestigung und Bewachung der Stadt Thun. In Alarmzeiten mussten in der Unterstadt während des Tages Posten im Lochturm, in Venner Zyros Gartenturm und auf dem Berntor bezogen werden. Es ist aus früheren Zeiten das erste und einzige Mal, wo der Turm als «Venner Zyros Gartenthurn», respektive «Venner Zyros Thurn», genannt wird. Der Name Zyroturm wurde erst in unserem Jahrhundert wieder gebräuchlich.

Der Name wird offenbar vom ersten Privatanstösser, Rudolf Zyro, abgeleitet. Rudolf Zyro wurde 1590 in Thun geboren. Das Geschlecht der Zyro stammte aus Chäteau-d’Oex und war kurz zuvor, im Jahre 1575, in Thun eingebürgert worden. Rudolf Zyro muss sehr tüchtig gewesen sein, da erobwohl er nicht einem alten Burgergeschlecht angehörte – eine bemerkenswerte Karriere machte. 1623 wurde er regimentsfähig, 1625 Einunger (Friedensrichter), 1631 Pfrundvogt, 1634 Mitglied des Rates, 1636 Seckeimeister. 1643 Hauptmann. 1644 Spitalvogt, welches sich damals noch auf dem Rathausplatz befand und im gleichen Jahr auch noch Venner. Er starb 1663 im Alter von 73 Jahren. Dabei war Venner Zyro vermutlich noch nicht Besitzer des Turmes, sondern nur Eigentümer des angrenzenden Gartens. Zur damaligen Zeit war Venner das höchste Amt der Stadt, welches ein Burger erreichen konnte. Entsprechend war auch sein Wohnsitz. Der Turm befand sich offenbar in einem schlechten Zustand, denn um 1679 wurde er erstmals restauriert.

Als der Turm für die Verteidigung der Stadt keine grosse Rolle mehr spielte, wurde er an Private verkauft. Die erste bekannte Besitzerin des Turmes war Frau Pfarrer Margaritha Rubin. Nach dem Hinschied ihres Gatten zog sie 1760 mit ihren fünf Kindern von Ringgenberg nach Thun und nahm Wohnsitz im Turm. In der Folge wechselte der Turm noch mehrmals Besitzer, wie anhand der alten Aufzeichnungen hervorgeht. Zurück in das Eigentum der Stadt Thun gelangte der Turm 1945. Der Kaufpreis betrug 44000 Franken. Heute trägt die Besitzung die Bezeichnung «Berntorgasse 8» und kann für Anlässe gemietet werden.

Die Berntorgasse 1964. Grau schraffierter Bereich: Areal Baumaterial AG

1914 – 2006 Die Gasse im Besitze der BAGT

Ab 1914 dominierte eine Firma die Berntorgasse und besass flächenmässig den grössten Teil davon: die Baumaterial AG (BAGT). Der Hauptsitz befand sich in der Nummer 7. Ab 1950 gehörte ebenfalls die alte Scheuer zum „Inventar“ der  BAGT. 1956 wurde das Haus links daneben, das 1905 erbaute Haus mit der Nummer 5, welches zuvor dem Pferdehändler Adolf Weil gehörte, erworben. Im gleichen Jahr kam ausserdem die Nummer 3 welche in ein Sanitäres Lager und Nummer 9, die zur Eisenbiegerei umgestaltet wurden, in den Besitz der Baumaterial AG. Neben den zahlreichen Baumaterialen befand sich in der Gasse auch noch ein Eisenlager im Garten vor dem Venner-Zyro-Turm sowie ein Lager beim ehemaligen Gasthof Sädel. Nachdem die BAGT immer mehr Umsatz erzielte, wurde es in der Gasse bald zu eng. Verschiedene Abteilungen verlagerten nach und nach ihre Lagerplätze ins Gwatt. In der Berntorgasse blieben aber noch bis im Jahr 2006 die Administration sowie Muster- und Verkaufsräume.

1986 wurde die alte Scheuner wieder an die Stadt verkauft und 2006 verabschiedete sich die BAGT entgültig aus der Berntorgasse. Im ehemaligen Hauptgebäude befindet sich heute ein Alterwohnheim mit dem Restaurant Karussell.

Von 1993 -1997 befand sich in der Berntorscheune das mit Albert LeVice gemeinsam mit Arbeitslosen betriebene Sinnestheater «Kleines Freudenhaus».

Von 1985 bis 1989 wurde in der sogenannten BernTONgasse während des Thunfestes jeweils spezielle Konzerte für das jugendlichen Publikum abgehalten.

Standort

Quellen: Gäbeler-Treffen Peter Küffer, Gewerbetriebe Verzeichnis von Stefan Giger, Festzeitschrift BAGT 1914-1964, TT 24.05.1991, TT 29.10.1976 von Peter Küffer, BA T 49.2. Z. 94, Löhner Genealogien T-Z 453, Diverse

Ein Gedanke zu „Berntorgasse

  • 28. Februar 2025 um 9:28
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    Danke für diese gut dokumentierte Thuner-Geschichte betreffend Berntor, immer sehr faszinierend!

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