Allmendingen bei Thun

Schon in römischer Zeit haben sich Menschen in Allmendingen wohl gefühlt und am Rande des Oberlandes gleich sieben kleine Tempel aufgebaut. Doch dazu später.

Die erste neuzeitliche urkundliche Erwähnung von Allmendingen datiert aus dem Jahr 1287. Für den Namen des Dorfes sind zwei Erklärungen möglich. Entweder ist es eine alemannische Ansiedlung eines Sippenführers namens “Alawand”, woraus mit der Endung “-ingen” Allmendingen entstand, oder der Name rührt von der Geländebezeichnung der Umgebung, der “Allmend”, her. Das Gebiet wurde vor der Einleitung der Kander in den Thunersee vor 1714 oft überschwemmt und der Boden lieferte nur einen mageren Ertrag. Zur Bewässerung und zur Trinkwasserversorgung wird seit 1589 Wasser von der Kander und seit 1997 vom Glütschbach hergeleitet.

Allmendingen gehörte mit den Dörfern Scherzligen, Schoren, Buchholz, Gwatt, Dürrenast und Neufeld zur Gemeinde Strättligen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Grossteil der Bevölkerung von Strättligen in der Landwirtschaft tätig. Wer kein Auskommen fand, wanderte aus. Eine Wende brachte der Bau der eidgenössischen Militärbetriebe und der Zulieferwerke in der alten Gemeinde Thun. Bis in die 1980er Jahre war Allmendingen somit ein Bauerndorf mit vielen sogenannten «Rucksackbauern» – Leute, die in der Munitionsfabrik, der «Schachtlere» oder in der Selve zu Fuss oder mit dem Fahrrad auf die Arbeit gingen und – bedingt durch ihre niedrige Entlöhnung – zusätzlich morgens und abends ihre kleinen Bauernbetriebe mit ein paar wenigen Kühen, Schafen oder Ziegen versorgen mussten. Das Mittagessen nahmen sie jeweils in einem Militärrucksack mit auf die Arbeit.

Allmendingen besass ursprünglich 3 Restaurants. Das Restaurant Rössli mit Tanzsaal und Stallungen gab es bis 1915. Es stand dort, wo sich von 1985 bis 2022 das Café Stern befand (heute Coop). Das Restaurant Linde bei der Buswendeschleife wurde in den 1990er Jahren geschlossen. Heute existiert von den damaligen Wirtschaften nur noch das Restaurant Kreuz. An der Allmendingenstrasse, wo sich heute der Coop befindet, gab es eine Milchhandlung sowie eine zweite Bäckerei neben der Bäckerei Krebs im Dorfzentrum. Es gab auch eine Metzgerei, die es aber sehr schwer hatte. Die Leute gingen nicht zum Metzger, da man grösstenteils Selbstversorger war. Es waren die Störmetzger, die zu jener Zeit gefragt waren. Die Post war zuerst im Haus der Bäckerei Krebs (heute Hoschi-Beck) untergebracht. Dort befand sich auch der Konsumverein. Dann zügelte die Post ins Haus Allmendingenstrasse 18, danach in die Hausnummer 22 neben dem Coop und befindet sich heute in einem Secondhand-Buchladen an der Allmendingenstrasse 16.

Allmendingen war ungünstig gelegen. Die Schulkinder gingen ins Schulhaus im Schoren. Ein schon damals als zu lang beklagter Weg – und das Schulhaus war überfüllt. 1840, traten die ersten Schüler/innen in eine «Schulstube» im Hinterhaus eines Bauernhauses am heutigen Brunnackerweg 1. 1843 erhielt Allmendingen dann aber das erste «richtige» Schulhaus. Das grosszügige dreistöckige Haus war für zwei Klassen gebaut und beinhaltete auch zwei Lehrerwohnungen. Mittels eines angebauten Stalls konnten sich die schlecht bezahlten Lehrer ernähren. Zu Beginn wurde noch alle Altersklassen gemeinsam unterrichtet, im Jahr 1859 folgte die Trennung in eine sogenannte Unter- und eine Oberklasse. 1903 zog die Primarschule in ein neues Schulhaus gleich links daneben, das heute den Kindergarten beherbergt. Damals zählte das Dorf rund 800 Einwohner. Die grosse Entwicklung setzte nach 1950 ein. 1965 wurde das neue Schulhaus erbaut und dafür musste 1961 in Allmendingen ein Wahrzeichen abgerissen werden: Die Ziegelhütte, im Volksmund «alter Bahnhof» genannt. Es handelte sich um ein imposantes Bauernhaus in Ständerbauart aus dem Jahr 1584. Es beherbergte zeitweise eine Schleiferei und eine Hafnerei (Töpferei). Ziegelhütte hiess das Haus, weil es von Anfang an mit Ziegeln eingedeckt war, die noch aus der Ziegelei in Hofstetten stammten, welche einen Bernerbär trugen. Und wegen den vielen Bewohnern im letzten Jahrhundert stammte der Name «Bahnhof». 1984 erfolgte eine Erweiterung des Schulhauses mit dem Bau der Mehrzweckhalle. 1943 spielte der neu gegründete FC Allmendingen zum ersten mal Fussball.

Das Bauerndorf veränderte sich in der Folge ab den 1980er Jahren zu einem Dorf mit Industriegebieten, dem Bierigut, dem Zelgli oder Allmendingen-Nord. Wo früher Tiere auf den Weiden beobachtet werden konnten, wurde nun gebaut. Ein neues Kirchgemeindehaus wurde 1995 eröffnet. Vorher wurden die Gottesdienste im Predigtsaal im Schulhaus abgehalten. Der charakteristische ovale Saal sowie der quadratische Kirchturm wurden zu einem weithin sichtbaren Wahrzeichen für Allmendingen. Mit dem «Kensai-Karate-Do» entstand 1997 der grösste Massivholzbau der Schweiz. 2001 wurde auf der Burgerallmend ein Golfplatz eröffnet. Zusammen mit den Schulhäusern und privaten Wohn- und Geschäftshäusern entstand so ein neues Dorfzentrum.

Eine grosse Bedeutung für die Entwicklung von Allmendingen hatte der Bau der Autobahn, welche 1970/71 eröffnet wurde. Die Linienführung der Autobahn und des Zubringers war umstritten. Die Allmendinger Bevölkerung hätte sich eine Streckenführung durch das Kandergrien gewünscht. Diesem Wunsch wurde nicht entsprochen. Ein Grund war offenbar, dass die Verkehrsteilnehmer so das Panorama auf Eiger, Mönch und Jungfrau nicht hätten bewundern können. Nun, die Folge war, dass Bauernbetriebe wie das von May-Gut, oder nach dem Namen des letzten Besitzers genannt, das Bierigut, zerschnitten wurden.

Im Jahre 1824 spielten Knaben nördlich von Allmendingen mit einem runden Steinkopf Fussball. Bei diversen Ausgrabungen stellte sich dann heraus, dass in römischer Zeit, vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr., Allmendingen das kultische Zentrum der Region war, die sich damals «regio lindensis» nannte, was Gegend am See bedeutet. Dies geht aus einem Sockelstein hervor, der 1926 gefunden wurde. Damals befand sich dort ein gallo-römisches Heiligtum, acht von einer Mauer umgebene kleine Tempel, und daneben ein Wirtschaftsbezirk. Sämtliche beweglichen Funde befinden sich heute im Historischen Museum in Bern. Wo üblicherweise, wie an anderen Römischen Fundorten, eine Touristenattraktion mit Freiluftmuseum stehen würde, deckte man in Thun-Allmendingen die gesamte Tempelanlage mit einer 18-Loch-Golfanlage zu. Immerhin befindet sich, in rund 150 Meter Entfernung und ohne Blick auf die Ausgrabungsstätte, seit 2022 eine Informationstafel. Mehr Informationen im Online-Buch: Die Skulpturen des gallorömischen Tempelbezirkes von Thun-Allmendingen von Martin Bossert.

Quellen: Webseite Allmendingen Leist, BZ 26.062015, Die Skulpturen des gallorömischen Tempelbezirkes von Thun-Allmendingen, Historisches Muesum Bern, Thunarella, Diverse

2 Gedanken zu „Allmendingen bei Thun

  • 12. Juli 2024 um 17:56
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    Im Beitrag wird mehrfach das Café Stern erwähnt – das gibt es leider heute nicht mehr. Coop hat sich vergrössert und das Café Stern musste weichen. Allerdings wurde vor nicht allzu langer Zeit das Bistro Kafi-Bohne an der Allmendingenstrasse 14 eröffnet.

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    • 13. Juli 2024 um 7:43
      Permalink

      Besten Dank für den Hinweis. Werde das im Artikel entsprechend ergänzen.

      Antwort

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